Montag, 11. Juli 2011

Das deutsche System

In den letzten 18 Monaten lernte ich auf vielen Reisen Menschen und Kulturen aus aller Welt kennen. Da war die völlig andere Wirklichkeit der osteuropäischen Rumänen, die heute ein Teil der Wirtschaftsgemeinschaft EU sind und deren Alltag noch weiter von Europa entfernt ist, als das Leben der Großstädter in Marokko, das ich ebenso kennengelernt habe. Die Menschen kämpfen oftmals um die einfachsten Dinge zum Überleben, die Miete, Grundnahrungsmittel oder aber die Fernsehgebühren, um wenigstens so ab und zu ihrer Wirklichkeit zu entfliehen, wenn es ihnen schon nicht gelingt, Rumänien zu verlassen.

Dagegen wirkt die Schweiz fast unwirklich, als wäre sie gesaugt worden, ein Puppenhaus, gut sortiert, nichts vermissend, Wohlstand abgeschottet in einer kleinbürgerlich eingezäunten Welt mit Vorgarten.

Libyen scheint das Jahrzehnt verpasst zu haben. In Tripolis gibt es faktisch nichts, was daran erinnert, dass Gesellschaften einer Entwicklung unterliegen, Menschen Ablenkung gebrauchen könnten vom normalen und üblichen Alltag, eine Welt, abgeschottet, als gäbe es keine anderen Nationen, ein Land so groß wie ganz Mitteleuropa und überall nur Sand, faktisch nichts, kein kulturelles Angebot, kaum Restaurants, keine Bars, keine Diskotheken, keine Parks, keine Freizeit, kein Sport, keine Kurzweil, keine Politik, keine Geschichte, für viele keine Erinnerung daran, dass es eine Zukunft geben könnte.

Ebenso ein unvorstellbares, wenn auch völlig anderes Erlebnis ist Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens. Da findet man unvorstellbare Gegensätze zwischen unreal Arm und Reich, Traditionen, Religion, Schmutz, Fülle und nichts von dem, was wir uns unter Indonesien, eigentlich die meisten Menschen sich unter Bali, vorstellen. Die Hauptstadt und deren Menschen haben nichts mit Bali zu tun, Indonesien eigentlich wenig mit eben jenem Bali, das wir für sein Kunsthandwerk und die landschaftliche Schönheit bewundern und bereisen.

Es folgten Dubai, mit seinem völlig inhaltslosen Fortschritt, der keine Individualität mehr zulässt, alle müssen glänzen, alles ist das Größte, Teuerste, Neueste, Beste, nur nichts basiert auch auf einem Hauch Tradition oder Kultur. Ebenso besuchte ich China, Vietnam und Bangkok. Doch zuletzt war ich und bin ich offen für all diese Eindrücke und Erlbnisse, die fremden Ansichten und Kulturen, Wirklichkeiten und Träume nur deswegen, weil ich meiner Herkunft und Kultur sicher bin, weil in mir eben all das auch verwurzelt ist und mich sicher macht, was mir u.a. die Kultur in Hamburg im Laufe von dreißig Jahren mitgegeben hat, was ich in deutschen Schulen und Betrieben gelernt habe, in einer demokratischen Gemeinschaft, die tolerant genug ist, Leben zu lassen und mit Bildung und Inhalten den Menschen eine realistische Chance zu geben - bei aller Kritik an dem System.

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